Die Stellungnahme AFRAC 39 (Juni 2021) schließt eine bestehende Lücke im Regelwerk der Rechnungslegung und behandelt die Änderung einschließlich Fehlerkorrektur von aufgestellten unternehmensrechtlichen Jahres- und Konzernabschlüssen (im Folgenden „Abschlüsse“) sowie (Konzern-)Lageberichten und richtet sich an alle mit der Aufstellung und Feststellung von UGB-Abschlüssen befassten Gremien einschließlich der Geschäftsleitung von Einzelunternehmen.
Bei der Änderung eines bereits aufgestellten Abschlusses ist nach AFRAC 39 (Juni 2021) Rz 5 zu unterscheiden, ob eine zulässige Bilanzierung durch eine andere zulässige Bilanzierung ersetzt wird (Bilanzänderung bei einem fehlerfreien Abschluss) oder eine unzulässige Bilanzierung durch eine zulässige Bilanzierung ersetzt bzw ein Fehler korrigiert wird (Bilanzberichtigung bei einem fehlerhaften Abschluss). Eine Änderung von Abschlüssen kann beispielsweise erfolgen
- als Ergebnis einer Prüfung durch den Aufsichtsrat ( vgl. zB § 96 Abs. 1 AktG, § 30k Abs. 1 GmbHG),
- bei wesentlichen wertaufhellenden Erkenntnissen nach Aufstellung des Abschlusses,
- zur Fehlerkorrektur durch Rückwärtsänderung oder
- aufgrund von Beschlüssen einer Generalversammlung.
Als Änderung eines Abschlusses ist jede Änderung von Inhalt und Darstellung eines Abschlusses anzusehen, dh Änderungen des Ansatzes, der Bewertung sowie der Darstellung. Die Darstellung umfasst dabei auch die in einem Abschluss gemachten Angaben im Anhang. Das Ersetzen eines zulässigen Bilanzansatzes durch einen anderen, ebenfalls zulässigen Bilanzansatz in laufender Rechnung stellt keine Änderung eines Abschlusses dar, sondern ist ausschließlich nach dem Grundsatz der Stetigkeit zu beurteilen (vgl § 201 Abs 3 UGB).
Eine Korrektur von Fehlern (Bilanzberichtigung) kann grundsätzlich in laufender Rechnung (also im Abschluss des (laufenden) Geschäftsjahrs, der gerade aufgestellt wird, ohne vorangegangene (bereits aufgestellte) Abschlüsse zu ändern) oder durch Änderung eines von einem Fehler betroffenen Abschlusses (Rückwärtsänderung bzw Änderung eines bereits aufgestellten Abschlusses) erfolgen. Die Korrektur eines Fehlers durch bloßes Anpassen der Vorjahreszahlen (sogenannte Rückwärtsanpassung) unbeschadet § 223 Abs 2 UGB widerspricht dem Grundsatz der Bilanzidentität (§ 201 Abs 2 Z 6 UGB) und ist deshalb unzulässig.
Bei einer Änderung eines fehlerfreien Abschlusses nach seiner Herausgabe oder einer Fehlerkorrektur durch Rückwärtsänderung wird empfohlen, den geänderten Abschluss als solchen zu bezeichnen.
Bei durch einen Abschlussprüfer gemäß §§ 268 ff UGB geprüften Abschlüssen ist zu beachten, dass gemäß § 269 Abs 4 UGB jede nachträgliche Änderung dem Abschlussprüfer bekanntzugeben ist und die Änderung bzw der geänderte Abschluss zu prüfen ist (Nachtragsprüfung).
Im Falle inhaltlich nichtiger Jahresabschlüsse ist nach neuerlicher Aufstellung des Abschlusses eine Abschlussprüfung gemäß §§ 268 ff UGB vorzunehmen.
Bei der Änderung eines Abschlusses nach seiner Herausgabe ist seine Bindungswirkung zu beachten. Diese ergibt sich aus der Informationsfunktion der Rechnungslegung, die im Geschäftsverkehr Rechtssicherheit bewirken soll. Die Adressaten eines herausgegebenen Abschlusses dürfen daher auf die erhaltene Information vertrauen (Bestandskraft des Abschlusses). Die möglichst unveränderte Aufrechterhaltung eines aufgestellten, gegebenenfalls festgestellten und dann auch herausgegebenen Abschlusses entspricht dem Interesse der Öffentlichkeit an einer verlässlichen Information über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens. Allgemein bestehen jedoch Unterschiede in Abhängigkeit davon, ob es sich um einen fehlerfreien (gesetzmäßigen) oder fehlerhaften (gesetzwidrigen) Jahresabschluss handelt.
Vorgehensweise bei der Änderung von Abschlüssen
Änderung fehlerfreier Abschlüsse
Bei Änderungen von fehlerfreien und herausgegebenen Abschlüssen sind der Grundsatz der Bestandskraft und das Gebot der Bilanzstetigkeit zu beachten.
Eine Änderung des Abschlusses ist nur dann möglich, wenn gewichtige rechtliche, wirtschaftliche oder steuerliche Gründe vorliegen. In Anlehnung an KFS/RL1 RZ 32 können im Einzelfall bei sonst drohenden rechtlichen oder wirtschaftlichen Nachteilen zu Umständen führen, die ein Abgehen von der Bewertungsstetigkeit begründen, wie zum Beispiel
- Änderung von Gesetzen oder der Rechtsprechung,
- Übergang oder Verzicht auf die Verwendung von Bewertungsvereinfachungsverfahren,
- Ereignisse, die zu strukturellen Änderungen des Unternehmens führen, wie
- wesentliche Veränderungen in der Gesellschafterstruktur,
- Einbeziehung in einen oder auch Ausscheiden aus einem Konzernverbund,
- Änderungen der unternehmerischen Konzeption, wie bei Wechsel des Managements, Einleitung von Sanierungsmaßnahmen,
- größere Produktions- und Sortimentsumstellungen,
- technische Umwälzungen,
- steuerliche Gründe, und zwar Ergebnisse einer Betriebsprüfung, Nutzung von sonst nicht aus nutzbaren Verlustvorträgen, soweit dem nicht unternehmensrechtliche Vorschriften entgegenstehen.
Änderung von fehlerhaften Abschlüssen
Eine Korrektur von Fehlern kann grundsätzlich in laufender Rechnung (also im Abschluss des laufenden Geschäftsjahres, der gerade aufgestellt wird), ohne vorangegangene (bereits aufgestellte) Abschlüsse zu ändern, oder durch eine Änderung eines von einem Fehler betroffenen Abschlusses (Bilanzberichtigung, Rückwärtsänderung bzw. Änderung eines bereits aufgestellten Abschlusses) erfolgen.
Die Stellungnahme AFRAC 39 (Juni 2021) unterscheidet bei der Fehlerkorrektur zwischen unwesentlichen Fehlern und wesentlichen Fehlern (hierbei wird auf AFRAC 34 iZm Wesentlichkeit verwiesen):
Beim Erkennen eines unwesentlichen Fehlers ist grundsätzlich eine Korrektur in laufender Rechnung vorzunehmen. Milla/Stückler gehen davon aus, dass ein (unwesentlicher) Fehler gemäß § 201 Abs. 3 UGB ein besonderer Umstand sei, der eine Berichtigung des Fehlers in laufender Rechnung in Durchbrechung des Grundsatzes des Bilanzzusammenhanges rechtfertigt. Eine Rückwärtsänderung von Abschlüssen ist hingegen nur dann vorzunehmen, wenn sie dem Informationszweck der Rechnungslegung besser entspricht als die Änderung des Abschlusses in laufender Rechnung. Bei Vorliegen eines unwesentlichen Fehlers und eines Abschlusses, der bereits herausgegeben wurde, ist im Interesse der Bestandskraft des Abschlusses eine Änderung nur dann vorzunehmen, wenn – vergleichbar einer Änderung von fehlerfreien Abschlüssen – gewichtige rechtliche, wirtschaftliche oder steuerliche Gründe dies rechtfertigen (vgl. Milla/Stückler: Die Änderung von Abschlüssen im UGB, RWZ 11/2021, S. 344).
Die Korrektur eines wesentlichen Fehlers hat entweder in Form einer Rückwärtsänderung oder in laufender Rechnung zu erfolgen. Eine Verpflichtung zur Rückwärtsänderung besteht nur dann, wenn eine zeitnahe, den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Informationsvermittlung durch die Korrektur im laufenden Abschluss nicht erreicht werden kann.
Vorgehensweise bei nichtigen Abschlüssen
Gemäß Paragraf 202 Abs. 1 AktG ist ein Jahresabschluss einer Aktiengesellschaft dann nichtig, wenn
- der Vorstand oder Aufsichtsrat bei seiner Feststellung nicht ordnungsgemäß mitgewirkt haben,
- er mit dem Wesen der Aktiengesellschaft unvereinbar ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind,
- er durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt,
- keine Prüfung gemäß § 268 UGB stattgefunden hat.
Diese Bestimmung regelt die Nichtigkeit von Beschlüssen über die Feststellung eines Jahresabschlusses einer Aktiengesellschaft (AG). Für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) wird in herrschender Ansicht vertreten, dass eine analoge Anwendbarkeit der §§ 199 und 202 AktG gegeben ist (vgl. Baumgartner/Mollnhuber/Sportler in Torgelow, GmbH-Gesetz (2014) § 41 Rz 5, Koppensteiner/Rüffler, GmbH-Gesetz (2007) § 41 Rz 17).
AFRAC 39 (Juni 2021) geht ausschließlich auf die sogenannte inhaltliche Nichtigkeit ein. Dies betrifft vor allem die gläubigerschützende Funktion des Jahresabschlusses und die Frage, in welchen Fällen aus dieser Sichtweise Nichtigkeitsgründe vorliegen können.
Die inhaltliche Nichtigkeit eines Jahresabschlusses (§ 202 Abs 1 Z 2 und 3 AktG) setzt daher in objektiver Weise einen wesentlichen Mangel voraus, der ausdrücklich einen eigenen Maßstab erfordert, welcher von der Art des Fehlers abhängt und weder mit der Definition des § 189a Z 10 UGB noch allenfalls mit den für eine Abschlussprüfung geltenden Grundsätzen gleichgesetzt werden darf (vgl im Detail die Ausführungen von Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG6 III (2019) § 202 Rz 13). Ein unrichtiger Jahresabschluss gemessen am UGB und den GoB ist demnach eine notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für eine inhaltliche Nichtigkeit. Beispielsweise könnten aus dem Gläubigerinteresse heraus besonders gravierende Fehler, die zum Ausweis eines zu hohen Eigenkapitals führen, eher zur Nichtigkeit führen. Eine Beeinträchtigung des Informationsgehalts eines Jahresabschlusses aus Sicht AFRAC 39 (Juni 2021) führt nur dann zur Nichtigkeit, wenn die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage grob verfälscht dargestellt wird (zu weiteren Ausführungen vgl Eckert/Schopper in Artmann/Karollus, AktG (6) III (2019) § 202 Rz 15 ff). Bei der Beurteilung, ob ein Jahresabschluss nichtig ist oder nicht, sollten sowohl quantitative Bezugsgrößen als auch qualitative Kriterien herangezogen werden. Im Zweifel ist die Aufstellung eines fehlerfreien Abschlusses zu empfehlen.
Der Konzernabschluss hat lediglich eine Informationsfunktion und entfaltet keine Rechtsfolgen, wie das beim Jahresabschluss bezüglich der auf einem festgestellten Bilanzgewinn basierenden Ergebnisverwendung der Fall ist, und auch nicht förmlich festgestellt wird (§ 96 Abs. 4 AktG), kann der Konzernabschluss nach hM nicht nichtig sein (vgl. Milla/Stückler: Die Änderung von Abschlüssen im UGB, RWZ 11/2021, S. 345).