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Einflussgrößen der Rechtsformwahl



Formelle Kriterien können aus den einzelnen Rechtsnormen des Gesellschaftsrechts abgeleitet werden. Im Unternehmensgesetzbuch sind Einzelunternehmer, Kommanditgesellschaft, offene Gesellschaft und die stille Gesellschaft geregelt. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts findet sich im ABGB geregelt. Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist im GmbH-Gesetz, die Aktiengesellschaft im Aktiengesetz, die Genossenschaft im Genossenschaftsgesetz sowie die Privatstiftung im Privatstiftungsgesetz formell geregelt. Ergänzend bestehen noch grenzüberschreitende Rechtsformen wie die europäische wirtschaftliche Interessensvereinigung (EWIV) sowie die europäische Aktiengesellschaft (SE).

Die formellen Kriterien haben in der Regel auch Auswirkungen auf die materielle (= tatsächliche) Gestaltung der Rechtsform. Um einerseits den Interessen der Unternehmensgründer und des Unternehmens (betriebliche Motive) gerecht zu werden, können Mischformen wie beispielsweise eine GmbH & Co KG oder eine GmbH & atypisch Stille errichtet werden.

Mittelbare Einflussgrößen, die sich auf den Strukturierungsprozess auswirken, sind die Auswirkung auf bestehende Rechtsverhältnisse (Einzel-/Gesamtrechtsnachfolge) sowie die Kosten der Rechtsformwahl und der Rechtsformänderung (Beratungs-und Vertragserrichtungskosten, Verkehrssteuern) – sowie die aus der Rechtsformänderung erwachsenden Vorteile.

Unmittelbare Einflussgrößen , die während der Lebensdauer das Unternehmen beeinflussen, sind

  • Unternehmerinitiative (= Geschäftsführerrechte, Mitsprache – und Kontrollrechte der Unternehmenseigentümer, personalistische oder kapitalistische Entscheidungsstrukturen),
  • Corporate Governance (Gestaltbarkeit der Unternehmensorganisation sowie der internen und externen Überwachung),
  • Haftung (unbeschränkt – beschränkt, unmittelbar – mittelbar (über Einlage), solidarisch – einzeln),
  • Arbeitnehmermitbestimmung (= arbeitsrechtliche [Betriebsrat] und unternehmerische [Aufsichtsrat] Mitbestimmung, Mitarbeiterbeteiligung)
  • Prüfungs- und Publizitätspflicht (erweiterte Rechnungslegungspflichten bei überschreitende Größenmerkmale nach § 221 UGB, Pflichtprüfung gemäß § 268 UGB, Gliederungsvorschriften für Bilanz und GuV gemäß § 224 und 231 UGB, Anhang gemäß § 236 UGB, Lagebericht gemäß § 243 UGB, Erstellung von Konzernabschlüssen),
  • Kapitalbeschaffung (Kapitalmarktfähigkeit; Anonymität; Stückelung; Möglichkeit, hybride Finanzierungsinstrumente einzusetzen),
  • Gewinn und Verlustbeteiligung (Ausmaß der Gestaltbarkeit bei einzelnen Rechtsformen),
  • Entnahmemöglichkeit (gestaltbare Entnahme oder Begrenzung durch Gewinne, Aufwendigkeit des Verfahrens bei Kapitalrückzahlung)
  • Mobilität und Fungibilität der Unternehmensanteile (Steuerbelastung bei Verkauf, Abschreibbarkeit des Kaufpreises, Teilbarkeit, Veräußerungs- und Abtretungsbeschränkungen),
  • Unternehmensnachfolge und Erbregelung (personalistische oder kapitalistische Struktur, Untergehen und Übertragung von Unternehmensanteilen, Möglichkeit der Pflichtteilsbeschränkung bei Anteilen),
  • Steuerbelastung (unterschiedliche Tarife, Durchgriff-oder Trennungsprinzip, unterschiedliche Befreiungsbestimmungen für einzelne Rechtsformen, Steuerbelastung entgeltlicher oder unentgeltlicher Anteilsübertragung)
  • Sozialversicherungsbelastung (z.B. unterschiedliche Beitragsbelastung durch ASVG oder GSVG)

Das Ziel der Rechtsformwahl ist es nun jene Rechtsform zu finden, die aus Sicht der Entscheidungsträger, die geringsten negativen Auswirkungen hat.

Mit dem simultanen Verfahren der Rechtsformwahl können die relevanten Kriterien sowie die Präferenzen der Entscheidungsträger gleichzeitig in einem Lösungsprozess berücksichtigt werden. Beim Punktebewertungsverfahren erfolgt die Darstellung des Entscheidungsproblems und seiner Lösung in einer Matrix mit drei Spalten:

  1. Entscheidungsrelevante Kriterien
  2. Alternative Rechtsformen (Skala von 0 (kein Gewicht) bis 5 (höchstes Gewicht)
  3. Bewertung der Kriterien (Skala von 0 (kein Gewicht) bis 5 (höchstes Gewicht)
Eignung der Rechtsform Gesellschafter
Entscheidungsrelevante Kriterien KG GmbH GmbH & Co KG OG A B C
Leitungsbefugnis 5 5 5 5 3 3 0
Haftungsbeschränkung 1 5 5 5 3 3 3
Keine Publizität 5 2 4 4 1 3 3
Rechtsformaufwand 5 4 2 1 2 1 2
Steuerbelastung 2 3 4 5 3 3 2

 

Ausgehend von obiger Tabelle erfolgt die Bewertung und Auswahl der Rechtsformen durch Multiplikation der individuellen Gewichtung mit dem Eignungsgrad (= Punktewertmatrix).

Punktewert je Gesellschafter Summe Punkte
Rechtsform A B C
KG 39 44 32 115
GmbH 49 49 35 133
GmbH & Co KG 50 56 39 145
OG 51 58 39 148

 

Die höchste Quersumme zeigt an, welche Rechtsform insgesamt präferiert wird.

Die richtige Rechtsform kann aber erst durch eine Diskussion der Rechtsformentscheidung zwischen den Entscheidungsträgern herbeigeführt werden, weil formelle Kriterien in den Rechtsnormen dispositives Recht  (zB Geschäftsführung, Vertretung, Gewinn- und Verlustverteilung) darstellen, welche durch Gesellschaftsvertrag geändert werden können.

Quelle: Bertl (ua): Handbuch der österreichischen Steuerlehre, Band III: Gründung, Umgründung und Beendigung von Unternehmen, 2. Auflage, S. 2ff