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Informationsdarstellung in einem Jahres- oder Konzernabschluss, einem Lage- oder Konzernlagebericht



Für Entscheidungsträger bzw. dessen Beauftragte stellt sich wiederkehrend die Frage, wie wesentliche Informationen in vertretbarer Weise im Jahres- oder Konzernabschluss bzw. im Lage- oder Konzernlagebericht darzustellen sind. Die richtungsweisende Bestimmung findet sich im § 163a Abs. 1 Z 1 StGB, denn nur strafbar macht sich, wer als geeignetes Tatsubjekt (Entscheidungsträger bzw. dessen Beauftragte) in einem Jahres- oder Konzernabschluss (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Anhang) oder einem Lage- oder Konzernlagebericht eine die Vermögens-, Finanz- ODER Ertragslage (anders UGB: Vermögens-, Finanz- UND Ertragslage) eines Verbandes betreffende oder für die Beurteilung der künftigen Entwicklung der Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage bedeutsame wesentliche Information, einschließlich solcher Umstände, die die Beziehung des Verbandes zu mit ihm verbundenen Unternehmen betreffen, in unvertretbarer Weise falsch oder unvollständig darstellt, wenn dies geeignet ist, einen erheblichen Schaden für den Verband, dessen Gesellschafter, Mitglieder oder Gläubiger oder für Anleger herbeizuführen.

Wesentlichkeit der Information

Hinsichtlich der Wesentlichkeit wird grundsätzlich auf § 189a Z 10 UGB verwiesen. Diese Bestimmung besagt, dass eine Information dann wesentlich ist, wenn vernünftigerweise zu erwarten ist, dass ihre Auslassung oder fehlerhafte Angabe Entscheidungen beeinflusst, die Nutzer auf der Grundlage des Jahres- oder Konzernabschlusses treffen. Die Wesentlichkeit ist von der Größe oder der spezifischen Eigenschaft des Postens oder der Fehlerhaftigkeit der Angabe abhängig. Selbst wenn ein einzelner Posten für sich genommen als unwesentlich angesehen werden kann, können mehrere unwesentliche gleichartige Posten zusammen als wesentlich gelten. Primärer Beurteilungsmaßstab der Wesentlichkeit ist demnach die Entscheidungsrelevanz der betroffenen Informationen (Größe und spezifische Eigenschaft des Postens oder Fehlerhaftigkeit der Angabe) für den Adressaten. Quantitative als auch qualitative Aspekte der Wesentlichkeit leiten sich daraus ab. Aufgrund unterschiedlicher Unternehmen wird einer relativen quantitativen  Wesentlichkeitsbeurteilung der Vorzug gegeben. Abweichungen bzw. Über- oder Unterbewertungen werden als quantitativ wesentlich qualifiziert, wenn dadurch (z.B. nachfolgende Parameter Beck’sche Bilanzkommentar)

  • das Jahresergebnis nach Steuern um mindestens 10% bzw. das Vorsteuerergebnis um mindestens 5% verändert wird, oder
  • die Bilanzsumme um mindestens 5 % verändert wird, oder
  • für die Beurteilung eines Unternehmens oder seiner Organe besonders wichtige sonstige Einzelposten des Jahresabschlusses um mindestens 10% verändert werden, oder
  • eine Überschreitung gesellschaftsrechtlich relevanter Grenzen (zB betreffend die Größenklasseneinteilung von Unternehmen (§ 221 UGB), den Verlust von 50% des Grund- bzw. Stammkapitals (§ 83 AktG, § 36 GmbHG), Überschuldung (§ 67 IO) vereitelt wird.

Vertretbarkeit der Information

Eine falsche oder unvollständige Darstellung einer wesentlichen Information nach § 163 a Abs. 1 StGB ist nur dann strafbar, wenn sie in unvertretbarer Weise erfolgt. Unvertretbarkeit wird dann vorliegen, wenn Darstellungen außerhalb zulässiger Bewertungs- und Ermessensspielräume des Rechnungslegungsrechts, die im Rahmen der „Bilanzpolitik“ genützt werden, strafbar sind. Grundsätzlich gibt es keine objektive Wahrheit im Rechnungswesen. Es gibt nur eine Richtigkeit aufgrund des maßgeblichen Regelungswerkes. Aufgrund der Regelungswerke ergibt sich jedoch ein Gestaltungsspielraum, der im Rahmen der „Bilanzpolitik“ genützt werden darf. Die strafrechtsautonome Interpretation der Unvertretbarkeit wird in Nuancen unterschiedlich dargestellt (vgl. Bernreiter, Bilanzdelikte, Wien 2019, S. 49f mit Verweis auf weitere Literaturquellen).:

  • Bilanzrechtlich unrichtig, aber vertretbar;
  • Straffreie vertretbar unrichtige Darstellungen versus strafbare unvertretbare unrichtige Darstellungen;
  • Bei Bilanzierung in unvertretbarer Weise sei nicht das Ergebnis, sondern die richtige Anwendung der Methodik entscheidend.

Weiterführende Überlegungen basieren auf der zu § 153 StGB aufbauenden Änderungen in § 84 Abs. 1a AktG bzw. § 25 Abs. 1a GmbHG, mit dem sogenannten „Business Judgement Rule“.

Nach der Rechtsprechung des OGH müssen 4 Voraussetzungen für rechtmäßiges Handeln nach der Business Judgement Rule kumulativ erfüllt sein (OGH 23.2.2016, 6 Ob 160/15w):

  1. Der Geschäftsleiter darf sich nicht von sachfremden Interessen leiten lassen.
  2. Die Entscheidung muss auf Grundlage angemessener Informationen getroffen werden.
  3. Die Entscheidung muss ex ante betrachtet offenkundig dem Wohl der juristischen Person dienen.
  4. Der Geschäftsleiter muss (vernünftigerweise) annehmen dürfen, dass er zum Wohle der juristischen Person handelt.

Eine umfassende Darstellung zu den Kriterien der Strafbarkeit von Darstellungen in Jahresabschluss und Lagebericht findet sich in Bernreiter, Bilanzdelikte (2019).