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Überarbeitung AFRAC-Stellungnahme 27: Personalrückstellungen (UGB)



Am 30. Dezember 2019 veröffentlichte AFRAC eine Überarbeitung der AFRAC-Stellungnahme 27 betreffend Rückstellungen für Pensions-, Abfertigungs-, Jubiläumsgeld- und vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen nach den Vorschriften des Unternehmensgesetzbuches. In AFRAC-Stellungnahme 27 (Dezember 2019) wird in den Erläuterungen zu Rz 52 und 70 nachstehendes ausgeführt:

„Durch das Anti-Gold-Plating-Gesetz 2019 (BGBl. I Nr. 46/2019) wurde § 211 Abs 1 UGB um folgenden Satz ergänzt: „Für Rückstellungen für Abfertigungsverpflichtungen, Jubiläumsgeldzusagen oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen kann der Betrag auch durch eine finanzmathematische Berechnung ermittelt werden, sofern dagegen im Einzelfall keine erheblichen Bedenken bestehen.“ Damit übernahm der Gesetzgeber die bereits in der vorigen Fassung dieser Stellungnahme vorgesehene Vereinfachungsmöglichkeit für die Berechnung der genannten Rückstellungen (vgl. AFRAC 27 (März 2018), Erläuterungen zu Rz (68) und (85)) in das UGB. Aus der Formulierung „sofern dagegen im Einzelfall keine erheblichen Bedenken bestehen“ ergibt sich, dass kein uneingeschränktes Wahlrecht zwischen versicherungsmathematischer und finanzmathematischer Berechnung vorliegt (vgl. die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage des Anti-Gold-Plating-Gesetzes 2019, zu Art 1 Z 6 (§ 211 Abs 1 UGB)). 

Die Einschränkung „sofern dagegen im Einzelfall keine erheblichen Bedenken bestehen“ bestand bereits in den Fassungen des § 211 Abs 2 UGB vor dem RÄG 2014 im Zusammenhang mit der Möglichkeit der Ermittlung der Rückstellung durch Verwendung eines bestimmten Prozentsatzes der fiktiven Ansprüche in Anlehnung an die steuerlich vorgeschriebene Berechnung (§ 14 EStG). Die erwähnten Erläuterungen zu § 211 Abs 1 UGB verweisen für die Frage, wann keine erheblichen Bedenken bestehen, auf die Kommentarliteratur vor dem RÄG 2014. In der zur alten Fassung bestehenden Literatur wurden dann keine erheblichen Bedenken gesehen, wenn die vereinfachte Berechnung zu keiner wesentlichen Abweichung im Vergleich zur exakten Berechnung führte (vgl. Bertl/Hirschler, Maßgeblichkeitsprinzip und Abfertigungsrückstellung, RWZ 1996, S. 113; Gedlicka, Bewertung von Rückstellungen gemäß Fachgutachten KFS/RL 2, Anmerkungen zum Rechnungszinssatz, RWZ 2002, S. 80). Einigkeit bestand auch darin, dass die Einschränkung keine Kontrollrechnung zur Feststellung der möglichen Abweichung zwischen vereinfachter und versicherungsmathematischer Berechnung zu jedem Bilanzstichtag erforderte.

Gemäß den erwähnten Erläuterungen zu § 211 Abs 1 UGB ergeben sich aber jedenfalls dann Bedenken, wenn aufgrund der großen Anzahl der Mitarbeiter und/oder der starken Fluktuation eine finanzmathematische Bewertung die Risiken für den voraussichtlich zu leistenden Betrag nicht ausreichend berücksichtigt und dieser Fehlbetrag außerdem wesentlich ist. Der Gesetzgeber nimmt damit für die Interpretation der Einschränkung nach der neuen Rechtslage explizit auf das Kriterium der Wesentlichkeit Bezug. Der Begriff „Fehlbetrag“ ist dabei wohl als Abweichung in beide Richtungen zu interpretieren. Demnach bestehen gegen eine finanzmathematische Berechnung der Abfertigungs- bzw. Jubiläumsgeldrückstellung bzw. einer vergleichbaren Rückstellung dann keine erheblichen Bedenken, wenn der potenzielle Fehlbetrag zwischen versicherungs- und finanzmathematischer Berechnung als unwesentlich im Sinne von AFRAC 34 beurteilt werden kann.

Ein relevantes Kriterium für eine größere und damit potenziell wesentliche Abweichung zwischen versicherungs- und finanzmathematischer Berechnung ist neben der Anzahl der Mitarbeiter und einer hohen Fluktuation eine allgemein hohe Bedeutung der biometrischen Faktoren (z.B. Sterblichkeit, Berufsunfähigkeit, Invalidität). Ein höheres Zinsniveau kann diese Auswirkungen weiter verstärken. Erfahrungswerte und Vergleichsrechnungen zeigen, dass die Auswirkungen biometrischer Faktoren bei der Bewertung von Abfertigungsrückstellungen im Gegensatz zu den Auswirkungen bei der Bewertung von Pensionsverpflichtungen i.d.R. gering sind. 

Größere Unterschiede zwischen versicherungs- und finanzmathematischer Berechnung können sich bei Ermittlung der Rückstellungen für Jubiläumsgelder ergeben, weil die versicherungsmathematische Berechnung unter anderem auch das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis aufgrund von Invalidität berücksichtigt. Dies führt bei der Rückstellung für Jubiläumsgelder grundsätzlich dazu, dass die versicherungsmathematische Berechnung im Vergleich zur finanzmathematischen Berechnung einen geringeren Rückstellungswert ergibt. Falls geeignete und verlässliche statistische Informationen über die Fluktuationswahrscheinlichkeit, einschließlich der Fluktuation aufgrund eines früheren Pensionsantritts, vorhanden sind, muss dieser Sachverhalt durch Berücksichtigung der Fluktuationswahrscheinlichkeit im Rahmen der finanzmathematischen Berechnung berücksichtigt werden. Soweit keine geeigneten und verlässlichen statistischen Informationen vorliegen und damit Fluktuationswahrscheinlichkeiten nicht berücksichtigt werden dürfen (vgl. Rz (83)), erscheint – unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vorsicht – zumindest bei einer kleineren Anzahl von Berechtigten die Ermittlung der Jubiläumsgeldrückstellung nach der finanzmathematischen Methode dennoch sachgerecht. Je nach Anzahl der Berechtigten und der Bedeutung dieser Rückstellungen für den jeweiligen Abschluss als Ganzes und der möglichen Abweichung des Ergebnisses aus dem angewendeten Näherungsverfahren im Vergleich zu einer versicherungsmathematischen Berechnung kann es allerdings erforderlich sein, in regelmäßigen Abständen eine Kontrollrechnung durchzuführen. 

Die im Steuerrecht verwendete Bewertung durch Anwendung eines fix festgelegten Prozentsatzes auf die fiktiven Ansprüche zum Abschlussstichtag stellt keine finanzmathematische bzw. versicherungsmathematische Berechnung im Sinne dieser Stellungnahme dar. Diese steuerrechtliche Vereinfachungsmethode ist daher im unternehmensrechtlichen Abschluss nicht anwendbar.

Die Ermittlung des Rückstellungsbetrages unterliegt der Bewertungsstetigkeit. Ein Abweichen vom Grundsatz der Bewertungsstetigkeit ist nur bei Vorliegen besonderer Umstände und unter Beachtung der Generalnorm zulässig (§ 201 Abs 3 UGB). Die Änderung eines Gesetzes ist als ein begründeter Ausnahmefall anzusehen (vgl. KFS/RL 1, Rz 32). Bei der erstmaligen Anwendung des durch das AntiGold-Plating-Gesetz 2019 geänderten § 211 Abs 1 UGB auf Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2018 beginnen, ist es daher zulässig, von der versicherungsmathematischen auf die finanzmathematische Berechnung der Rückstellungen für Abfertigungen, Jubiläumsgelder oder vergleichbare langfristig fällige Verpflichtungen zu wechseln, sofern gegen die finanzmathematische Berechnung keine erheblichen Bedenken bestehen.“

Die AFRAC-Stellungnahme 27 (Dezember 2019) ist auf jene Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2019 beginnen. Eine vorzeitige Anwendung wird empfohlen.