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Zahlungsunfähigkeit nach KFS/BW 7 – Teil 1



Das neue Fachgutachten KFS/BW 7 „Zahlungsunfähigkeit“ wurde am 10. April 2019 vom Fachsenat für Betriebswirtschaft beschlossen, um damit einen einheitlichen Zugang zum Insolvenzeröffnungsgrund „Zahlungsunfähigkeit“ darzulegen.

Zuerst ist hier die Verpflichtung zu nennen, „ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber sechzig Tage“ nach diesem Zeitpunkt die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (§ 69 Abs. 2 Satz 1 IO). Weiters sind die mit Insolvenzverfahren häufig verbundenen Anfechtungsverfahren (§§ 27 ff IO) und Strafverfahren (§§ 158 StGB), die Zahlungsverbote in den §§ 84 Abs. 3 Z 6 AktG und § 25 Abs. 3 Z 2 GmbHG, Unsicherheiten betreffend die Zulässigkeit von Aufrechnungen (§ 20 IO), § 43 Satz 2 AktG sowie der Krisenbegriff des § 2 Abs. 1 EKEG, der u.a. auf Insolvenzeröffnungsgründe Bezug nimmt. Zahlungsunfähigkeit ist der allgemeine – rechtsformunabhängige – Insolvenzeröffnungsgrund. Ob bei einer Liquiditätslücke nur eine Zahlungsstockung vorliegt, ist immer ex ante zu prüfen. Zu diesem Zeitpunkt gilt es für den Schuldner selbst zu beurteilen, ob der objektive Zustand der Zahlungsunfähigkeit voraussichtlich ein Dauerzustand oder aber nur kurzfristiger Natur ist. § 66 Abs. 1 IO: „Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt voraus, dass der Schuldner zahlungsunfähig ist.“ In Rz 8 KFS/BW 7 wird ausgeführt, dass „nach Rechtsprechung und Lehre Zahlungsunfähigkeit iSd § 6 IO vorliegt, wenn der Schuldner mangels bereiter Zahlungsmittel nicht in der Lage ist, seine fälligen Schulden zu bezahlen und er sich die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald beschaffen kann. Dieser Definition ist einerseits eine Stichtagsbetrachtung und andererseits ein prognostisches Element inhärent, wobei sich die Teile ergänzen, sozusagen ein „kommunizierendes Gefäß“:

  • Wenn die Stichtagsbetrachtung (erster Teil) eine Liquiditätslücke ergibt, 
  • muss geprüft werden (zweiter Teil), „ob der objektive Zustand der Zahlungsunfähigkeit voraussichtlich einen Dauerzustand bildet oder dieser nur kurzfristiger Natur ist“, sodass von einer bloßen Zahlungsstockung auszugehen ist. Zahlungsunfähigkeit ist dann nicht anzunehmen, wenn die Unfähigkeit, finanzielle Verbindlichkeiten zu befriedigen, in verhältnismäßig kurzer Zeit behoben werden kann.

Fällige Schulden sind die zum Beurteilungszeitpunkt bereits fälligen Schulden gemeint. Nach dem OGH, kommt es nur auf die Fälligkeit der Schulden an, nicht auf ihre Eintreibung und dem Zeitpunkt der Einbuchung der Schulden. Verbindlichkeiten gegen andrängende und solche gegen abwartende Gläubiger sind in gleicher Weise zu berücksichtigen. Unter fällige Schulden sind grundsätzlich alle fälligen Schulden zu verstehen. Der OGH hat ein – nicht für jeden Einzelfall gültiges – Richtmaß von einer Unterdeckung von 5% als bloße Zahlungsstockung und noch gegebene Zahlungsfähigkeit beurteilt. Zahlungsunfähigkeit iSd § 6 KO liegt vor, wenn der Schuldner mehr als 5 % aller fälligen Schulden nicht begleichen kann. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Kann der Schuldner mehr als 95 % seiner fälligen Schulden begleichen, liegt keine Zahlungsunfähigkeit vor.

Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn sich bei aktuell gegebener Zahlungsfähigkeit in einer Finanzplanung für einen zukünftigen Zeitpunkt Zahlungsunfähigkeit abzeichnet, die voraussichtlich nicht abgewendet werden kann. Drohende Zahlungsunfähigkeit und Zahlungsstockung können gleichzeitig vorliegen. Die Finanzplanung kann z.B. zeigen, das eine aktuell bestehende Liquiditätslücke höchstwahrscheinlich binnen zwei Monaten behoben werden kann, sodass sie als Zahlungsstockung zu beurteilen ist, und zugleich aufzeigen, das für die Bezahlung einer in acht Monaten liegenden fälligen Schuld (zB Kredittilgung) voraussichtlich nicht genügend finanzielle Mittel zur Verfügung stehen werden“ (vgl. Rz 21f KFS/BW 7).

Muss ein sorgfältiger und redlicher Unternehmensleiter eine integrierte Erfolgs-, Vermögens- und Finanzplanung (Liquiditätsplanung) installieren? Soweit Unternehmen nicht ohnehin verpflichtet sind (§ 28a GmbHG für Gesellschaften mit Aufsichtsrat, § 81 AktG, § 58 Abs. 1 SEG und § 22 Abs. 3 GenG), ist ihnen eine solche Planung zu empfehlen, um möglichst frühzeitig Unternehmenskrisen zu erkennen (vgl. KFS/BW 5, Rz 10 ff). Selbst wenn ein (Klein-)Unternehmen keine (verschriftlichte) Planung betreibt, sollte es spätestens dann mit der Finanzplanung beginnen, wenn sich Zweifel abzeichnen, alle Zahlungsverpflichtungen bei Fälligkeit erfüllen zu können. Die Finanzplanung muss alle zu erwartenden Zahlungsein- und –ausgänge umfassen. Die zu betrachtenden Zeitabschnitte sind abhängig von der Liquiditätsentwicklung. Es kann zB erforderlich sein, dass von einer quartalsgenauen zu einer monatsgenauen und weiter zu einer wochengenauen oder sogar zahlungsdispositionstaggenauen bzw. geschäftstaggenauen Planung übergegangen werden muss.

  • Bei der zeitlichen Zuordnung der zu erwartenden Zahlungseingängen ist zu berücksichtigen, inwieweit diese erst nach ihrer Fälligkeit eingehen werden;
  • Bei der zeitlichen Zuordnung von zu erwartenden Zahlungsausgängen, dien einen bestimmten Fälligkeitstermin aufweisen, ist jedoch – vorbehaltlich Stundungen – dieser Termin maßgebend.

Auf die Erfassung der Fälligkeitstermine, etwa in Form einer Offene-Posten-Buchhaltung, ist deshalb besonderes Augenmerk zu legen. Im nächsten News Artikel berichten wir über die Komponenten des Finanzstatus nach KFS/BW 7.