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Bilanzierung von strittigen Forderungen



Der OGH hat mit Judikat vom 6.8.2021, GZ 6 Ob 126/21 d folgendes ausgeführt:

Die in §§ 277 ff UGB statuierte Offenlegungspflicht sieht keine Ausnahmen für Fälle vor, in denen einzelne Bilanzposten mit Unsicherheit behaftet sind. Vielmehr enthält das Rechnungslegungsrecht ausreichend Möglichkeiten, gegenüber Dritten wahrscheinlich bestehende Verbindlichkeiten oder drohende Verluste aus schwebenden Geschäften auszuweisen. In diesem Sinne ordnet § 201 Abs 2 Z 4 UGB an, dass erkennbare Risken und drohende Verluste in die Bilanz aufzunehmen sind, sobald sie entstanden und erkennbar geworden sind, obgleich der endgültige Eintritt oder das endgültige Ausmaß der Belastung ungewiss ist. Nach dieser Bestimmung darf ein Unternehmer für die am Stichtag bestehenden, dem Betrag nach aber noch nicht feststehenden Schulden sowie für zu erwartende Aufwendungen und Verluste Rückstellungen in der Bilanz ansetzen. Dabei gebietet das Vorsichtsprinzip, auch solche Schulden auszuweisen, die mit Elementen der Ungewissheit behaftet sind (6 Ob 225/11y).

Grundsätzlich nichts Anderes gilt für – hier von der Gesellschaft behauptete, aber bestrittene – Forderungen: Forderungen, die bestritten werden, sind ab rechtlicher Durchsetzbarkeit (Rechtskraft eines Urteils oder Unwiderruflichkeit eines Vergleichs) auszuweisen. Soweit bloß die Fälligkeit bestritten wird, weil zB noch Gewährleistungsarbeiten gefordert werden, oder lediglich die Höhe strittig ist, zB wegen Preisminderungsansprüchen, ist die Forderung grundsätzlich auszuweisen und das Risiko durch eine Rückstellung zu berücksichtigen.

Aus diesen Grundsätzen folgt, dass die Gesellschaft die behaupteten Forderungen, sofern sie sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach strittig sind, nicht aktivieren darf. Jedenfalls ergibt sich aus der Unsicherheit von Forderungen keineswegs die Notwendigkeit, im Jahresabschluss „Fantasiebeträge“ auszuweisen.

Aus der Aufnahme oder Nichtaufnahme einer Forderung in den Jahresabschluss allein kann eine besondere zivilrechtliche Wirkung gegenüber einem Dritten (wie etwa Anerkenntnis oder Verzicht) nicht abgeleitet werden.

Die Rechtsansicht, dass man wegen der Unsicherheit von Forderungen keinen Jahresabschluss erstellen und offenlegen könne, würde dazu führen, dass die Offenlegung des Jahresabschlusses überhaupt unterbleibt und damit die Gläubiger bzw andere interessierte Dritte keinerlei Informationen über die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft erhielten. Ein derartiges Verständnis des Gesetzes läuft aber dem Zweck der Bilanzpublizität diametral zuwider (6 Ob 225/11y).