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Unternehmensfortführung gemäß § 201 Abs. 2 Z 2 UGB



Der zuständige Fachsenat der KSW hat im Juni 2018 das Fachgutachten KFS/RL 28 hinsichtlich der Annahme der Unternehmensfortführung gemäß § 201 Abs. 2 Z 2 UGB adaptiert.
Die Annahme der Unternehmensfortführung („going concern-Prämisse“) ist ein zentraler Bewertungsgrundsatz bei der Aufstellung von Abschlüssen nach dem Unternehmensgesetzbuch (UGB). Bei der Beurteilung, ob diese Annahme gerechtfertigt ist, können sich im Einzelfall schwierige Fragen ergeben.
Gemäß § 1189 Abs. 3 ABGB sowie § 22 Abs. 1 GmbHG bzw. § 82 AktG sind die Geschäftsführung bzw. die gesetzlichen Vertreter verpflichtet, ein Rechnungswesen zu führen, das den Anforderungen des Unternehmens entspricht. Diese Verpflichtung umfasst auch das Vorliegen einer den Unternehmensgegebenheiten entsprechenden Unternehmensplanung, insbesondere wenn der Unternehmensfortführung möglicherweise Gründe entgegenstehen, vor allem wenn das Vorliegen insolvenzrechtlicher Tatbestände droht. Der Abschlussaufsteller hat zu beurteilen, ob der Unternehmensfortführung möglicherweise tatsächliche oder rechtliche Gründe entgegenstehen.
Tatsächliche entgegenstehende Gründe können sich aus Ereignissen und Gegebenheiten betrieblicher oder finanzieller Art ergeben. Rechtliche Gründe, die grundsätzlich, aber nicht in jedem Fall zwingend, der Fortführungsannahme entgegenstehen, können beispielsweise sein:

• das Vorliegen insolvenzrechtlicher Tatbestände (Zahlungsunfähigkeit nach § 66 IO, bei Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Gesellschaften Überschuldung nach § 67 IO),
• das Auslaufen von Verträgen oder Konzessionen, die wesentliche Grundlage für die Unternehmenstätigkeit sind, oder
• die Auflösung aufgrund gesetzlicher oder gesellschaftsvertraglicher Befristung.

Der Auswirkung solcher möglicherweise entgegenstehender Gründe kann durch Maßnahmen des Abschlussaufstellers allerdings entgegengewirkt werden.

Das UGB enthält keine Vorschriften darüber, für welchen Zeitraum die Unternehmensfortführung zu beurteilen ist. Nach Ansicht des Fachsenats kann grundsätzlich von einem Beurteilungszeitraum von zumindest zwölf Monaten ab dem Abschlussstichtag ausgegangen werden. Im Zeitpunkt der Abschlussaufstellung dürfen bei Annahme der Unternehmensfortführung keine fundierten Anhaltspunkte vorliegen, die eine Unternehmensfortführung über den Zeitraum von zwölf Monaten ab dem Abschlussstichtag hinaus in hohem Maße unwahrscheinlich erscheinen lassen.
Stellt sich allerdings während der Abschlussaufstellung heraus, dass der Unternehmensfortführung möglicherweise Gründe entgegenstehen, weil beispielsweise Plan-Ist-Vergleiche negativ ausfallen, so muss der Abschlussaufsteller über eine zwölf Monate nach dem Abschlussstichtag umfassende Unternehmensplanung hinaus weitere Nachweise für die Fortführungsannahme erbringen. Dafür ist eine aktualisierte Hochrechnung für das laufende Geschäftsjahr und bei erkennbarer erheblicher negativer Abweichung auch eine erweiterte Unternehmensplanung für einen Zeitraum von zumindest zwölf Monaten ab dem Abschlussaufstellungszeitpunkt bzw. für das gesamte folgende Geschäftsjahr zu erstellen und im Hinblick auf die Unternehmensfortführung zu beurteilen; diese Beurteilung ist die Fortführungsprognose.
In besonderen Fällen kann auch ein noch längerer Zeitraum in die Beurteilung einzubeziehen sein. Bei allzu weit in die Zukunft reichenden Planungen sind die dazu erforderlichen Vermutungen in der Regel zu weitgehend, um eine ausreichende Prognosesicherheit aufzuweisen. Als Anhaltspunkt für die Detailliertheit der Planung können die inhaltlichen Anforderungen gemäß dem aktualisierten „Leitfaden Fortbestehensprognose“ (2016) herangezogen werden.

Auf die zukünftige Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit ist besonders Bedacht zu nehmen. In diesem Zusammenhang kann das „Orientierungshilfeerkenntnis“ des OGH (19.01.2011, 3Ob99/10w) hilfreich sein:

„Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner mehr als 5 % aller fälligen Schulden nicht begleichen kann. Von Zahlungsfähigkeit darf ein Zahlungsempfänger ausgehen, wenn der Schuldner 95 % oder mehr aller fälligen Schulden begleichen kann. Eine Zahlungsstockung liegt vor, wenn eine ex-ante-Prüfung ergibt, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestand, dass der Schuldner in einer kurzen, für die Beschaffung der benötigten Geldmittel erforderlichen, im Durchschnittsfall (wenn Umschuldungen vorzunehmen sind; Vermögensobjekte verkauft werden sollen, Gesellschafterdarlehen vereinbart werden sollen uä) drei Monate nicht übersteigenden Frist alle seine Schulden pünktlich zu zahlen in der Lage sein wird. Eine noch längere Frist setzt voraus, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit der Beseitigung der Liquiditätsschwäche zu rechnen ist.“

Im Folgenden sind Beispiele für betriebliche, finanzielle und sonstige Gründe aufgeführt, die der Unternehmensfortführung möglicherweise entgegenstehen. Die Auflistung ist weder erschöpfend, noch weist das Vorliegen eines oder mehrerer der Punkte immer darauf hin, dass ein der Unternehmensfortführung möglicherweise entgegenstehender Grund vorliegt:

• betriebliche Gründe:

o Absicht des Managements zur Liquidierung des Unternehmens oder zur Einstellung der Geschäftstätigkeit
o Verlust von Mitgliedern des Managements in Schlüsselfunktionen ohne Ersatz
o Verlust von besonders wichtigen Märkten, Schlüsselkunden, Franchiseverträgen, Lizenzen oder Hauptlieferanten
o Arbeitskonflikte
o Engpässe bei wichtigen Zulieferungen
o Aufkommen eines äußerst erfolgreichen Konkurrenten

• finanzielle Gründe:

o negatives Eigenkapital
o Fälligwerden von Darlehensverbindlichkeiten mit fester Laufzeit ohne realistische Aussicht auf Verlängerung sowie übermäßiger Verlass auf kurzfristige Darlehen zur Finanzierung langfristiger Vermögenswerte
o Anzeichen für den Entzug finanzieller Unterstützung durch Gläubiger
o vergangenheits- oder zukunftsorientierte Finanzrechnungen deuten auf negative betriebliche Cashflows hin  ungünstige Schlüsselfinanzkennzahlen
o erhebliche betriebliche Verluste oder erhebliche Wertbeeinträchtigung bei Vermögenswerten, die zur Generierung von Cashflows dienen
o ausstehende oder ausgesetzte Gewinnausschüttungen
o Unfähigkeit zur Zahlung an Gläubiger bei Fälligkeit
o Unfähigkeit zur Erfüllung der Bedingungen von Darlehensvereinbarungen
o Änderung der Zahlungsbedingungen der Lieferanten von einer Kreditgewährung zu einer Zahlung bei Lieferung
o Unfähigkeit zur Beschaffung von Finanzmitteln für wichtige neue Produktentwicklungen oder für andere wichtige Investitionen

• sonstige Gründe:

o Verstoß gegen eigenkapitalbezogene oder sonstige gesetzliche Anforderungen
o schwebende gerichtliche oder behördliche Verfahren gegen das Unternehmen, die im Erfolgsfall zu Verbindlichkeiten führen, welche das Unternehmen nicht erfüllen kann
o Änderungen von Gesetzen oder anderen Rechtsvorschriften oder politische Änderungen, die voraussichtlich nachteilige Auswirkungen auf das Unternehmen haben
o Eintreten nicht versicherter oder unterversicherter Schadenfälle